Waffenruhe, 1985–1987
Im Gegensatz zu den bewusst nüchternen Aufnahmen seiner früheren Serien zeichnet Michael Schmidt in dem Mitte der 1970er-Jahre entwickelten Buch- und Ausstellungsprojekt
Waffenruhe mit verdichteten, ausschnitthaften und kontrastreichen Schwarzweißaufnahmen von Stadtlandschaften, Naturdetails und Porträts ein subjektives und facettenreiches Bild der damals geteilten Stadt. Die Werkgruppe markiert den radikalen Endpunkt des Versuchs, eine formale fotografische Entsprechung für die politisch unübersichtliche und perspektivlose Situation Berlins zu finden und durch atmosphärische Bilder zum Ausdruck zu bringen.
Michael Schmidts Fotografie bedient sich nun nicht mehr vorrangig dokumentarischer Mittel, sondern formuliert in überraschenden Bildzusammenhängen das dystopische Lebensgefühl einer Generation kurz vor dem Fall der Mauer. Der Künstler entwickelt eine Welt der Brüche und Lücken, die keinerlei Anspruch auf einen souveränen Überblick erhebt. Aus dem Zusammenspiel mit dem im Buch abgedruckten Text des Theaterregisseurs und Schriftstellers Einar Schleef ergibt sich ein schroffer, ganz eigener Blick auf die Fragilität menschlicher Existenz.
Das Projekt wurde anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins aus öffentlichen Mitteln gefördert und die Werkgruppe erstmals in der Berlinischen Galerie im Martin-Gropius-Bau, der damals direkt an der Mauer lag, gezeigt. Mit Waffenruhe erzielte Michael Schmidt seinen internationalen Durchbruch, als die Werkgruppe 1988 im Rahmen einer Gruppenausstellung im Museum of Modern Art in New York gezeigt wurde. In dieser Zeit erhielt Michael Schmidt zudem Förderungen außerhalb Berlins und fotografierte in diesem Kontext ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger.