Michael Schmidt nimmt in der deutschen Gegenwartsfotografie eine einzigartige Position ein. In Berlin geboren, fand er Mitte der 1960er-Jahre als Autodidakt zur Fotografie als künstlerischem Ausdrucksmittel. Für jedes Thema hat er einen individuellen fotografischen Zugang zur Wirklichkeit entwickelt.
Die Retrospektive im Hamburger Bahnhof stellte erstmals sein gesamtes Lebenswerk vor. Es war die erste Übersichtsausstellung des Fotografen in seiner Heimatstadt seit 25 Jahren.
Michael Schmidt fotografierte zunächst ausschließlich in Berlin. Hier entstanden Anfang der 1970er-Jahre Auftragsarbeiten für Bezirksämter und den Senat zu Stadtteilen wie Kreuzberg und Wedding oder zu sozialen Themen. Das Buch- und Ausstellungsprojekt Waffenruhe, ein bildgewaltiges Psychogramm der damals geteilten Stadt, das 1987 erstmals in Berlin gezeigt wurde, machte Michael Schmidt auch international bekannt. Von der Konzentration auf die Motivwelt seiner Heimatstadt löste er sich mit der Werkgruppe Ein-heit, die auf den Wiedervereinigungsprozess Deutschlands Bezug nimmt und der Öffentlichkeit erstmals 1996 im Museum of Modern Art in New York präsentiert wurde.
Das Werk von Michael Schmidt umfasst Porträts, Selbstporträts, Stadtlandschaften, Landschaften und Stillleben. In seinen Arbeiten widmete er sich der Bedeutung des Stadtraums, der andauernden Aktualität von Geschichte, dem Selbstbildnis, dem Selbstverständnis von Frauen, der Rolle der Provinz und der Bedeutung von Natur. In seinem letzten Projekt thematisierte er die zeitgenössische Lebensmittelproduktion.
Die Retrospektive zeigte neben Werkgruppen mit Originalabzügen auch Arbeitsabzüge, Buchentwürfe und Archivmaterialien. Die Ausstellung übernahm die von Michael Schmidt selbst erarbeiteten und erprobten Präsentationsformen so weit wie möglich. Durch die von ihm ständig weiter entwickelte fotografische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und die verschiedenen Veröffentlichungsformate hat sein Werk Vorbildcharakter.
Neben der individuellen Würdigung seines Werks, das als eine der wichtigsten Säulen der Fotografie innerhalb der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts gilt, ging die Retrospektive aber auch beispielhaft auf die Entwicklung der Fotografie als künstlerische Ausdrucksform seit den 1970er-Jahren ein.
Die Retrospektive fand als Sonderausstellung der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit der Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit dem Archiv Michael Schmidt statt.